#61: Berner Seeland - quo vadis?
Das Berner Seeland ist die «Gemüsekammer» der Schweiz. Die Moorböden, das Wassermanagement und die landwirtschaftliche Nutzung stehen jedoch im Spannungsfeld zwischen Produktivität und Nachhaltigkeit. Studierende setzten sich damit im Rahmen eines Integrativen Projekts (GEO401) auseinander.
Das Berner Seeland, die heutige «Gemüsekammer» der Schweiz, leidet immer mehr unter Bodenschwund. Mit dem Integrativen Projekt (GEO401) hatten die Studierenden die einmalige Möglichkeit, sich mit dieser Landschaft, deren Entstehung und Entwicklung sowie der Nutzung des Bodens auseinanderzusetzen. Um die Landwirtschaft und Böden zu erhalten, spricht man bereits von einer weiteren «Juragewässerkorrektion», die allerdings enorme Kosten verursachen würde. Zielführende Ideen und eine solide Datengrundlage für eine nachhaltige Nutzung der Gewässer und Böden sind deshalb gefragt.
Die Probleme sind seit 150 Jahren bekannt
Seit der Ersten Juragewässerkorrektion (1868 bis 1891) ist eine produktive Landwirtschaft im Berner Seeland möglich. Eine Folgeerscheinung davon war der starke Abbau der organischen Substanz der Moorböden und deren Sackung. In unserem Projekt gelang es nun das erste Mal, diese Oberflächenveränderung zu quantifizieren und auch räumlich zu differenzieren. Grossflächige Absenkungen von bis zu 2.5 Metern fanden in den letzten knapp 100 Jahren statt. Die am stärksten betroffenen Zonen liegen südlich von Ins und westlich von Kerzers.
Tatsächlich wurden unter Landwirtschaftsboden jährliche Kohlenstoffverluste von bis zu 5 Tonnen Kohlenstoff pro Hektare gemessen. Wachsen Bäume im betreffenden Gebiet, beträgt der Verlust nur rund die Hälfte. Waldvegetation kann somit den Abbau von Moorböden zwar nicht verhindern, aber immerhin deutlich reduzieren.
Be- und Entwässerung nötig
Erst das ausgeklügelte Kanalsystem im Berner Seeland ermöglichte eine ertragreiche Landwirtschaft. Es dient sowohl der Be- als auch der Entwässerung. Die Wehre der Binnenkanäle steuern den Grundwasserspiegel. Entgegen des natürlichen Jahresverlaufs versucht man ihn in der Vegetationsperiode hoch zu halten, um den Pflanzen kontinuierlich Wasser zur Verfügung zu stellen. Der ständige Unterhalt der Kanäle und Stauwehre ist jedoch eine zentrale Voraussetzung, damit das Wasser trotz des sehr geringen Gefälles störungsfrei fliessen kann.
Die Fruchtbarkeit der Böden erhöhen
Genauso wichtig ist die Fruchtbarkeit der Böden. Vermehrt werden Aufschüttungen durchgeführt, um entweder Senken, wo sich Wasser ansammelt, zu eliminieren oder um die Bodenmächtigkeit zu erhöhen. Die von uns untersuchten Fälle zeigten zwar ein positives Endresultat: Der Moorabbau konnte teilweise reduziert und die Bodeneigenschaften und Fruchtbarkeit verbessert werden. Dennoch wurde das Bodenmaterial während des Einbaus stark verdichtet und nur mit Glück konnten grössere Schäden vermieden werden. Der Bodenschutz, die Behörden und Landeigentümer stehen damit vor der grossen Herausforderung, solche Massnahmen verstärkt zu koordinieren und nachhaltig einzusetzen.
Bäume helfen Moorgebiete zu schützen
Das Grosse Moos in der Umgebung von Müntschemier und Ins weist auch grössere Waldgebiete aus. Niederschlag und Grundwasserspiegel sind ausschlaggebend für das Wachstum der Waldvegetation. Eschen beispielsweise sind Tiefwurzler und können aus tieferen Schichten (Grund-) Wasser beziehen. Fichten hingegen müssen als Flachwurzler ihren Wasserbedarf aus dem obersten Bodenbereich abdecken.
Eigentlich hätte erwartet werden können, dass der Grundwasserspiegel im Wald tiefer läge als an baumlosen Standorten, da die Bäume generell mehr Wasser aus dem Boden ziehen als Feldfrüchte, den Boden austrocknen und den Moorabbau fördern. Diese Vermutung liess sich jedoch nicht bestätigten. Im Gegenteil: Die Waldvegetation bewirkt einen geringeren Moorabbau als dies auf Landwirtschaftsflächen der Fall ist. Bäume können sich generell positiv auf die Böden ihrer Standorte auswirken. Eine optimierte Kombination von Forst- und Landwirtschaft (Agroforstwirtschaft) könnte also helfen, besonders gefährdete Moorgebiete vor der Auszehrung zu schützen.
Grosse Herausforderungen für die Zukunft
Die Landwirtschaftsregion Berner Seeland wird zukünftig mit grossen Herausforderungen konfrontiert sein: Mehr Natur- und Bodenschutz und eine ökologische Aufwertung der landwirtschaftlichen Strukturen sind notwendig, ohne jedoch die agrarische Produktion allzu sehr einzuschränken.
Fachliche Unterstützung und Video-Produktion: Max Maisch ; mm-Film Gockhausen.
Das ganze Video in einem separaten Fenster auf Switch Tube ansehen.
Einzelkapitel des Videos:
Kap. 00 Prolog inkl. Disclaimer
Kap. 01 Intro & Titel
Kap. 02 Geochronologie
Kap. 03 Flussgeschichte
Kap. 04 Kartografische Zeitreise
Kap. 05 Histor. & aktuelle Bilder
Kap. 06 Hydrologie
Kap. 07 Digitale Höhenmodelle
Kap. 08 Moorzehrung
Kap. 09 Dendrochronologie
Kap. 10 Abspann & Impressum
Weitere News
- #125: Der 125. und letzte
- #124: Gletscher vor 125 Jahren und heute
- #123: Ist das Navi in der Hand der erste Schritt zum betreuten Wohnen?
- #122: In eine neue Welt katapultiert
- #121: How to make health care service provision more equitable and greener
- #120: Unsere Welt ist eine multidimensionale Collage
- #119: Is Tourism the Beginning or the End? Livelihoods of Georgian Mountain People at Stake
- #118: «Wir müssen den Klimawandel systematisch als Risiko mitdenken»
- #117: Andean mountain regions: Fragile sentinels of landscape and cultural transformation
- #116: Temporary streams at the doorsteps of Irchel Campus
- #115: Schneeflocken vom Weltraum aus zählen
- #114: Provokation und Revolte am GIUZ
- #113: Ambitious goals for biodiversity urgently needed!
- #112: "The Eyes Have It!" - Where we look while navigating
- #111: Investigating plants genetic structure from above
- #110: «I see and I remember. I do and I understand.»
- #109: «Für uns, unsere Kinder und Kindeskinder»
- #108: Was macht die Digitalisierung mit unserer Umwelt?
- #107: The role of a developer at GIUZ
- #106: Dem unterirdischen Wasser auf der Spur
- #105: Was der Geographieunterricht zur Bildung im 21. Jahrhundert beitragen kann
- #104: Nepal - Kein Land für alte Leute?
- #103: Klimawandel in der Schweiz: Alles, was du wissen musst!
- #102: Wie Instagram unseren Umgang mit der Natur verändert
- #101: Numbed by navigation technologies: How can we counteract?
- #100: Das ist der 100. Blogbeitrag
- #99: Investigating food sustainability: from production and trade to consumption
- #98: Geographers live in concert - postponed!
- #97: Global Glyphosate: Uneven Geographies of herbicide production and use
- #96: "Pesticides burned grass and know-how"
- #95: Vier Standorte in 125 Jahren
- #94: Dietikon: Vom Bauerndorf zur Stadt
- #93: What is biodiversity?
- #92: Feldarbeit im ruralen Nepal: Reflektion zu Positionalität, Verantwortung und Rollen
- #91: Das Schulfach Geographie: heute und morgen
- #90: Funktionale Diversität aus dem Weltraum kartieren
- #89: Adieu ewig’ Eis
- #88: Landschaftsleistungen erlebbar machen
- #87: What is the role of variability in nature?
- #86: The Skin of Chitwan
- #85: Animated flight line collection over Switzerland
- #84: Space, Nature & Society: Wo wir forschen und was wir tun
- #83: Do you know about the 3MT competition?
- #82: An academic career in ecology
- #81: Hunderte Studierende verzaubern den Semesterstart an der Uni Zürich
- #80: Wie bewegen wir uns in Zukunft fort?
- #79: Willkommen im GEO- und ESS-Studium!
- #78: Expedition vom Fenster aus: Wie nimmst du deine Umgebung wahr?
- #77: Mitten in der Pandemie eine historische Pandemie untersuchen
- #76: Das Geoteam stellt sich vor
- #75: How roots influence climate change
- #74: Imaging the earth from above
- #73: Studierende sammeln Daten: Natur, Landschaft und Ressourcen
- #72: Trouvaillen aus dem Archiv
- #71: The fluorescence of phytoplankton from 800 km above
- #70: Der kalte Norden ist auch familiär
- #69: How the COVID-19 pandemic is teaching us to tackle the climate crisis
- #68: Studierende sammeln Daten: Migration, Mobilität und Stadt
- #67: Sommerpause!
- #66: On the art of failing forward
- #65: Die Wasserstadt Zürich mit dem Smartphone entdecken
- #64: Auf den Spuren der ersten Schweizer Polarforscher
- #63: Geistreiche Wortspiele
- #62: Von Gemüse über Milch bis zu Kaffee: Solawis in der Deutschschweiz
- #60: Intense days on the field course to Val Piora
- #59: Panta rhei - alles fliesst
- #58: Comic Strip Geographies
- #57: Where we come from
- #56: A journey through time with loess deposits
- #55: Schlacht am Morgarten 1315: Wie sah die Landschaft damals aus?
- #54: Berne going green
- #53: Biochar increases rice root architecture
- #52: Velo- und Fussverkehr in der Corona-Zeit
- #51: The impact of Covid-19 from an economic geography perspective
- #50: Why do we create virtual forests?
- #49: Wenn das Eis fehlt: Das Lötschental und seine Zukunft
- #48: Wie Skitouren geplant werden: Big Data gibt Einblicke
- #47: Is there a place for people in protected areas?
- #46: Artenvielfalt im Irchelpark
- #45: Cress, tomatoes and the meaning of the universe
- #44: Scientific games to understand social-ecological system dynamics
- #43: Insight into the WGMS
- #42: Connecting female hydrologists worldwide: an initiative born at GIUZ
- #41: Maximilian schickt dich einkaufen
- #40: Sars-CoV-2 and food producers: who cares?
- #39: The value of water
- #38: Mit Slimy-Masse die Gletscherschmelze illustrieren
- #37: Was machen Geographinnen und Geographen nach dem Studium?
- #36: Geographie-Student Jonathan, der Erdball und die CO2-Männli
- #35: Zwei Studiengänge am Geographischen Institut
- #34: Urban Sustainability as New Financial Fix?
- #33: Stillschweigend im Verborgenen
- #32: Interaktiv und interdisziplinär
- #31: Unpacking the complexity of social-ecological systems
- #30: Der Landschaft lauschen
- #29: Synergien zwischen Homeschooling und Hochschullehre schaffen
- #28: The first fully remote PhD defenses
- #27: Der Weltwassertag fällt ins Wasser
- #26: Die GIUZ Sustainability Task Force
- #25: Was ist Geographie?
- #24: «Geografe nüme schlafe!»
- #23: Auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft
- #22: Spatial genetics for plant-based communities - and much more!
- #21: Strebergärtli - Irchel Garden Project
- #20: Writing papers - a nightmare. Or not?
- #19: Urbanisierte Landschaften - Leben zwischen Natur und Zivilisation
- #18: Atmende Wälder in 3D
- #17: «Wir sind hier, wir sind laut!»
- #16: Was ist EGEA?
- #15: Exploring the future of biodiversity
- #14: Lawinenbulletins in den Alpen: Konsistenz über die Landesgrenzen hinweg
- #13: Ein Kaffee aus der Eiszeit
- #12: Grönland 1912 - und heute!
- #11: «Wir sitzen alle im selben Boot»
- #10: Monitoring und Reduktion von Flugreisen am GIUZ
- #9: Der Verein Geographie Alumni UZH: Ein Forum für alle Geographieinteressierten
- #8: Wissen in Bildern - Informationsdesign heute
- #7: Geographie in Aufruhr
- #6: Gletschermessreihen mit Mayonnaise
- #5: Landkarten im Reduit
- #4: Die Plastiksuppe kartieren
- #3: Neue Abteilung «Space, Nature and Society»
- #2: Wie alles begann
- #1: Alles Gute zum 125. Geburtstag