Geographie in Aufruhr
Wer an die bewegten 1980er Jahre denkt, hat meistens die sogenannten «Opernhauskrawalle» im Kopf. Die wenigsten wissen aber, dass diese Bewegung auch mächtig an den Fundamenten des GIUZ kratzte.
Während Monaten beschäftigte damals eine Jugendbewegung die Zürcher Gesellschaft und Politik und forderte Freiräume und soziale Fortschritte ein. Es waren zu grossen Teilen Studierende, welche diese Bewegung trugen. Und sie kratzte auch mächtig an den Fundamenten des GIUZ.
Für lange Zeit war die Geographie im deutschsprachigen Raum einfach klassische Länderkunde. Überspitzt formuliert heisst das, Städtenamen zu lernen und Demographien fremder Länder zu erfassen. Im Jahr 1969 in Kiel sollte sich das ändern. Am Deutschen Geographentag wurde die Disziplin Geographie und deren fehlende theoretische Grundlage radikal in Frage gestellt. Vielen deutschen Universitäten begannen in der Folge das Fach auszubauen und um weitere Teilgebiete zu ergänzen. In Zürich dauerte das länger. Das Institut war jedoch stark hierarchisch aufgebaut - an der Spitze sassen starke Männer mit Militärkarrieren. Als 1978 der Wirtschaftsgeograph Hans Boesch, der über Jahre das Institut geleitet hatte, überraschend starb, war die Human- und Wirtschaftsgeographie in der Lehre schlecht aufgestellt.
Die Folgen am Institut
In Zürich wurde deshalb im Zuge der 80er-Bewegung auch die Studierendenschaft der Geographie aktiv. Der Fokus lag dabei insbesondere auf dem, was heute breit unter Humangeographie zusammengefasst werden kann. Ein Teil der Studierenden diskutierte über die Zukunft des Fachs. Drei Themenschwerpunkte bildeten sich heraus: die feministische Geographie mit Anne Gilbert, die Stadtgeographie mit Christian Schmid, Richard Wolff, Hansruedi Hitz & Roger Hartmann und die Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit des Fachs mit Dominik Siegrist. Die Student*innen stiessen mit ihren inhaltlichen Forderungen jedoch auf Widerstand. Die Professoren lehnten diese mit unterschiedlichsten Begründungen ab. Es sei keine Geographie (Feminismus), zu radikal (Stadtgeographie) oder zu heikel (Faschismus). Die Studierenden organisierten deshalb fortan einen Teil ihrer Vorlesungen selber, lasen ausserhalb der Regelstunden Bücher oder trafen sich international mit Studierenden anderer Universitäten (insbesondere aus Deutschland).
Studis verdrängt
Weil ihnen die wissenschaftliche Karriere an der Universität Zürich mit diesen Schwerpunkten und mit ihrer kritischen Herangehensweise verunmöglicht wurde, verliessen praktisch alle Absolvent*innen dieser politischen Generation das GIUZ. Sie haben an einer anderen Hochschule oder ausserhalb der Wissenschaft ihr Thema weiter verfolgen müssen.
Doch was bleibt davon am Geographischen Institut? Heute haben wir sicherlich eine andere Situation auf dem Irchel. Die Humangeographie ist breiter aufgestellt. Die feministische Geographie hat im Institut ebenfalls einen festen Platz erhalten. Die Stadtgeographie fehlt wieder im Regelstudium (nach einigen Jahren im Vorlesungsplan). Doch wie sieht es mit der Studierendenschaft aus? Sind wir Studis kritisch genug? Oder könnte man uns vorwerfen, wir seien vor allem darauf bedacht, das Basisstudium zu überleben, um dann endlich «etwas spannendes» studieren zu können? Wie sieht es zudem bei den restlichen Dozierenden aus? Ist man sich der bewegten Geschichte des Instituts bewusst und versucht die Disziplin ständig vorwärts zu bringen? Diese Fragen werden wenn, dann nur am Rande diskutiert. Es wäre an der Zeit, dass sie das ganze GIUZ wieder einmal mit sich selbst befasst.
Unser Projekt
Im Rahmen eines integrativen Projekts am GIUZ untersuchen seit dem HS18 Geographie-Studierende die Geschichte des Instituts. Unter der Leitung von Benedikt Korf und Gary Seitz wurden die Unmengen an Material zusammengetragen, um ein umfassendes Bild der Zeit am Institut um 1980 zu schaffen.
Am 5. März 2020 findet in der Uni Irchel eine Veranstaltung dazu statt, wo aktuelle und ehemalige Studierende über das bewegte GIUZ diskutieren werden. Alle sind dazu herzlich eingeladen.
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