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Schattenseiten der Teilzeitarbeit

Die UZH-Arbeitsgeografin Karin Schwiter hat einen der begehrten ERC Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats erhalten. In den nächsten fünf Jahren will sie das Problem der Unterbeschäftigung in der Schweiz, in Grossbritannien und den Niederlanden untersuchen.

Hat für ihr Forschungsprojekt «Not Enough Paid Hours: Understanding the Rise of Involuntary Part-Time Employment» einen ERC Advanced Grant erhalten: Die Arbeitsgeografin Karin Schwiter. (Bild: Meier & Kramer)

Karin Schwiter gehört zu den ersten Schweizer Forschenden, die nach der Einigung zwischen der Schweiz und der EU wieder einen Grant des Europäischen Forschungsrats erhält. Das Projekt «Not Enough Paid Hours: Understanding the Rise of Involuntary Part-Time Employment» der Arbeitsgeografin und UZH-Professorin wird mit einem der renommierten, mit 2,5 Millionen Franken dotierten ERC Advanced Grants unterstützt. In den nächsten fünf Jahren wird die Forscherin zusammen mit ihrem Team das Problem der Unterbeschäftigung und der unfreiwilligen Teilzeitarbeit in Europa untersuchen.

Sie analysiert damit ein Phänomen, dem in Wissenschaft und Gesellschaft in der Vergangenheit wenig Beachtung geschenkt wurde. «In Analysen zu Entwicklungen des Arbeitsmarkts werden zwar regelmässig die Arbeitslosenzahlen erhoben und diskutiert», sagt Schwiter, «kaum berücksichtigt werden darin aber Menschen, die zwar Arbeit haben, aber nicht genug bezahlte Stunden, um Wohnung, Essen und das Lebensnotwendigste zu bezahlen.» Von Unterbeschäftigung betroffen sind insbesondere Frauen und Migrant:innen.

Arbeit auf Abruf

Und die Zahl dieser unterbeschäftigten Arbeitskräfte nimmt in Europa stetig zu. «Arbeitsverhältnisse werden immer häufiger auf Abruf gemacht und Arbeitszeiten in Verträgen flexibel definiert», sagt die Arbeitsgeografin, «das kann bedeuten, dass sich jemand immer für Aufträge bereithält und am Ende der Woche trotzdem zu wenig Arbeitsstunden für einen existenzsichernden Lohn hat.» Ein Beispiel für solche Arbeit auf Abruf ist die so genannte Plattform-Arbeit – Jobs also die von digitalen Plattformen wie Uber&Co kurzfristig vermittelt werden.

Das Problem besteht aber nicht allein in der Privatwirtschaft, sondern auch bei Jobs der öffentlichen Hand. «Auch im schulergänzenden Bereich zum Beispiel bei Klassenassistent:innen oder in der Mittagsbetreuung entstehen zum Teil neue Arbeitsverhältnisse, die oft fragmentierte Einsätze erfordern und am Ende keinen existenzsichernden Lohn ermöglichen.» Deshalb müssen sich unfreiwillig Unterbeschäftigte oft zweite und dritte Jobs suchen, um das Loch im Portemonnaie zu stopfen. Belastend ist ihre Situation nicht nur in finanzieller Hinsicht – die Ungewissheiten des flexiblen Arbeitens und das Jonglieren mit mehreren Jobs kann sich auch negativ auf Psyche und Gesundheit auswirken.

Lösungsvorschläge für Politik und Wirtschaft

«In der Öffentlichkeit wird Teilzeitarbeit im Moment sehr positiv diskutiert – und es ist ja auch toll, wenn sich dadurch Arbeit, Freizeit und Familie besser vereinbaren lassen», sagt Karin Schwiter, «aber es gibt eben auch die Kehrseite der Medaille – die Menschen, die in der Statistik als Teilzeitarbeitende auftauchen, die aber unfreiwillig in Teilzeit arbeiten.» Mit diesen Schatten der Teilzeitarbeit wird sich die Arbeitsgeografin in ihrem ERC-Projekt auseinandersetzen. Dazu wird sie die Situation in Grossbritannien, den Niederlanden und der Schweiz – den drei europäischen Ländern mit dem grössten Anteil an Teilzeitarbeitenden – detailliert analysieren und vergleichen. «Wir wollen eine Rundum-Perspektive auf das Thema entwickeln, in dem wir mit Arbeitskräften, Arbeitgebenden, Behördenvertetenden und Expert:innen für lokale Arbeitsmärkte in verschiedenen Branchen sprechen werden», sagt Karin Schwiter, «und wir wollen gegenseitig von und miteinander lernen.»

Mit ihrem Projekt will die Forscherin und ihr Team in den nächsten fünf Jahren Wissenschaft und Gesellschaft für die Probleme der Unterbeschäftigung und der unfreiwilligen Teilzeitarbeit sensibilisieren, die Hürden und Mechanismen identifizieren, die in bestimmten Branchen existenzsichernde Vollzeitjobs verhindern und Lösungsvorschläge für Politik und Wirtschaft entwickeln.

Roger Nickl, UZH Kommunikation

UZH News, 19.06.2025

Bild: Meier & Kramer

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Weitere Informationen und Kontakt

Prof. Karin Schwiter, Geographisches Institut der UZH

Mehr Pflichten für Uber & Co. - Artikel auf UZH News