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Detaillierter Blick auf den Schuttkegel von Blatten

Wenige Tage nach dem Bergsturz von Blatten haben Spezialisten der UZH für Fernerkundung den Schuttkegel mit verschiedenen Sensoren aus der Luft vermessen. Die Analyse der Daten soll unter anderem bei der Bewältigung künftiger Ereignisse helfen.

Linke Seite: Falschfarben-Visualisierung der Daten in einem RGB-Komposit. Dafür werden Informationen aus mehreren Hundert Spektralkanälen in wenigen Komponenten verdichtet. Für das Bild wurden drei Komponenten ausgewählt. Klar unterscheidbar sind die unterschiedliche Zusammensetzung des Gerölls auf der südöstlichen (orange Farbtöne) und nordwestlichen Talseite (Magenta-Töne). Wasseroberflächen werden in zartrosa visualisiert. Rechte Seite: Echtfarben-Aufnahme des Schuttkegels über Blatten am 11. Juni 2025. (Bilder: ARES, UZH)

Linke Seite: Falschfarben-Visualisierung der Daten in einem RGB-Komposit. Dafür werden Informationen aus mehreren Hundert Spektralkanälen in wenigen Komponenten verdichtet. Für das Bild wurden drei Komponenten ausgewählt. Klar unterscheidbar sind die unterschiedliche Zusammensetzung des Gerölls auf der südöstlichen (orange Farbtöne) und nordwestlichen Talseite (Magenta-Töne). Wasseroberflächen werden in zartrosa visualisiert.
Rechte Seite: Echtfarben-Aufnahme des Schuttkegels über Blatten am 11. Juni 2025. (Bilder: ARES, UZH)Interaktives Bild auf UZH News

Die Bilder vom Bergsturzgebiet und dem gigantischen Schuttkegel in Blatten sind inzwischen weltweit bekannt. Nur kurz nach dem Bergsturz haben Fernerkundungsspezialisten der UZH vergangene Woche erstmals mit verschiedenen Sensoren das Bergsturzgebiet überflogen und hochaufgelöste Daten von der Abriss-Stelle und dem Schuttkegel gesammelt.

«Diese Daten können viel detaillierter als die bisher bekannten Fotografien Auskunft über die Beschaffenheit und den Umfang des Schuttkegels geben», sagt Mathias Kneubühler, wissenschaftlicher Abteilungsleiter des Fachbereichs Remote Sensing Spectroscopy (RSS) am Geographischen Institut der Universität Zürich. Forschende der Geologie, Glaziologe oder etwa Ökologie können sich damit nun ein möglichst klares Bild über die Situation in Blatten und die mögliche zukünftige Entwicklung verschaffen.

Die Aufnahmen machten Andreas Hüni und Marius Vögtli von der Airborne Research Facility for the Earth System (ARES) der UZH am Mittwoch der vergangenen Woche aus der Luft in einem Flugzeug der Swiss Flight Services SA. Sie verwendeten dazu drei verschiedene Messgeräte: das Spektrometer AVIRIS-4, ein Laserscanner (LiDAR) und eine hochauflösende photogrammetrische Kamera. 

Hochauflösende Daten

Das AVIRIS-4-Spektrometer gehört zur neuesten Generation von schmalbandigen, bildgebenden Spektrometern, sogenannten “Hyperspektralsensoren“, und kann elektromagnetische Wellen in einem extrem grossen Bandbreitenbereich vom Ultraviolett über das sichtbare Licht bis zum kurzwelligen Infrarotbereich aufnehmen. Zudem ermöglicht es eine sehr hohe Bodenauflösung von bis zu 30 cm. Das heisst, ein Datenpixel entspricht einer realen Fläche von 30 mal 30 cm. Die Spektralmessung in Blatten wurde mit einer Auflösung von 70 cm aufgenommen.

Das AVIRIS-4-Spektrometer und die hochauflösende Photogrammetrie-Kamera an Bord des Flugzeugs. (Bild: ARES, UZH)

Diese Spektraldaten können detailliert Auskunft über die Beschaffenheit der Oberfläche des Schuttkegels geben. Je nachdem, welcher Wellenbereich ausgewertet wird, enthalten sie Informationen über die vorkommenden Gesteinsarten, die Granularität des Schutts, über die Wasser- oder Eismenge an der Oberfläche und über die Stellen, an denen sich noch Spuren von Vegetation finden.

Wo ist das Eis und wann schmilzt es?

«Im Moment interessiert vor allem, wie viel Eis sich im Schuttkegel befindet – und wo genau es sich befindet», sagt Hüni. Denn das entscheidet unter anderem darüber, wo, wie stark und wie schnell sich der Schuttkegel setzen wird. Auf den ersten Visualisierungen der Daten, die Hüni und Vögtli bereits erstellt haben, sind deutlich Stellen mit besonders hoher Feuchtigkeit zu erkennen. Diese deuten auf von Auge kaum sichtbare Wasserläufe oder Eis hin.

Für eine Voraussage, wie rasch das Eis schmelzen wird, ist es unter anderem wichtig zu wissen, ob das Eis mit Stein und Geröll bedeckt ist. Diese erwärmen sich an der Sonne schneller und bringen das darunterliegende Eis rascher zum Schmelzen. Eine detaillierte Analyse der «feuchten» Stellen auf dem Falschfarbenbild kann darüber Aufschluss geben.

Um zuverlässige Aussagen zur Beschaffenheit des Schuttkegels treffen zu können, müssen die Daten von den entsprechenden Spezialist:innen eingehend ausgewertet werden. «Wir sind Experten darin, diese Daten zu erheben und aufzubereiten», so Vögtli. «Die genaue Interpretation überlassen wir den Geolog:innen oder Glaziolog:innen.» An der UZH stehen sie mit verschiedenen Expert:innen am Geographischen Institut in Kontakt. Darüber hinaus sind sie auch Teil einer interinstitutionellen Expertengruppe für Datenauswertung.

Rasche Bewilligung

Dass die Daten in so kurzer Zeit überhaupt erhoben werden konnten, ist ungewöhnlich. Nach dem Bergsturz erklärte der Kanton den Luftraum über dem Lötschental zur Sperrzone. Trotzdem gelang es der Gruppe, innert nur drei Tagen eine Überflugbewilligung zu erhalten. Dies auch, weil der Kanton Wallis sehr daran interessiert war, die Daten zu erheben, um daraus mögliche Rückschlüsse auf den genauen Ablauf des Abbruchs, sowie auf mögliche weitere Risiken im Bergsturzgebiet zu erhalten.

Auch zwei Woche nach dem Bergsturz bewegt sich an der Abrissstelle noch Geröll. (Bild: ARES, UZH)

Der nun erhobene Datensatz ist in seiner Informationsfülle einmalig für ein solches Ereignis wie den Bergsturz in Blatten. «Mit der Klimaerwärmung dürfte es wahrscheinlich sein, dass solche Ereignisse im Alpenraum in Zukunft häufiger vorkommen», so Hüni. Er und Vögtli möchten deshalb anhand der Daten von Blatten auch gemeinsam mit den Spezialist:innen Methoden entwickeln, die eine rasche Analyse solcher Daten ermöglichen. So könnten sie in Zukunft allenfalls unmittelbar nach einem Ereignis die Rettungskräfte und Behörden bei der Bewältigung der Katastrophe unterstützen.

Veränderungen im Volumen erkennen

Neben den Spektrometerdaten erhoben Hüni und Vögtli auch Laserrdaten. Die LiDAR-Daten, die ein genaues Geländemodell ergeben, können unter anderem genutzt werden, um das Volumen und Volumenänderungen des Schuttkegels genauer zu berechnen. «Der Kanton hat schon kurze Zeit nach dem Bergsturz LiDAR-Aufnahmen gemacht,» so Hüni. «Wenn man unsere neueren Daten mit diesen Daten vergleicht, kann man daraus bereits erkennen, wo sich das Volumen des Kegels verändert hat.» In Kombination mit den Oberflächendaten lassen sich so Rückschlüsse ziehen, wo sich im Kegel etwa Eis befindet.

Die Auswertung der Daten wird nun zahlreiche Forscher:innen eine Weile beschäftigen. Für Hüni und Vögtli wäre es interessant, in regelmässigen Abständen vergleichbare Datensätze zu sammeln. «So könnten wir im Hinblick auf künftige Ereignisse besser verstehen, wie sich die Landschaft nach einem solchen Ereignis wieder regeneriert.»

Theo von Däniken, UZH News

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